Landbrief: Die Kolumne von Joachim von Braun: Die Welt im Klimawandel – Es geht jetzt um Resilienz


September 26, 2022.  

Der Landbrief https://www.landbrief.de/ 

11. September 2022

Die Kolumne von Joachim von Braun: Die Welt im Klimawandel - Es geht jetzt um Resilienz

Unser Autor ist Professor für wirtschaftlichen und technologischen Wandel an der Universität Bonn, Vizepräsident der Welthungerhilfe und Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.

 

Guten Tag!

Viel ist in diesen Tagen von "Resilienz" die Rede. Auch im Vatikan war das so, als dort vor einigen Wochen eine internationale  https://www.pas.va/en/events/2022/resilience.html Konferenz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ihr Leitthema lautete: "Resilienz der Menschen und der Ökosysteme unter Klimastress". Papst Franziskus betonte in seiner www.pas.va/content/dam/casinapioiv/pas/pdf-vari/statements/statement_resilience_23aug.pdf> Botschaft zu Beginn der Konferenz die Chancen von Kooperation: "Indem wir zusammenarbeiten, können Männer und Frauen guten Willens das Ausmaß und die Komplexität der vor uns liegenden Probleme angehen, die menschliche Familie und Gottes Geschenk der Schöpfung vor Klimaextremen schützen und die Güter der Gerechtigkeit und des Friedens fördern."  Der Papst hat in den vergangenen Jahren wiederholt zum Klima gesprochen - beispielsweise als er 2021 eine Zusammenkunft von 30 Religionsführern aller Weltreligionen zum Dialog  https://www.pas.va/en/news/2021/2021_cop26.html Glauben und Wissenschaft für Klimaschutz eingeladen hatte. Aber jetzt hat er zum ersten Mal Resilienz thematisiert. Damit macht er sich die große Sorge in der Wissenschaft zu eigen, dass ein Abwenden des sich rasch beschleunigenden Klimawandels in der nahen Zukunft immer weniger möglich sein wird und dies vor allem die Armen zunehmend bedroht.

Was ist Resilienz?

Einfach gesagt: Resilienz ist die Fähigkeit, Schocks weitgehend unbeschadet zu überstehen. Komplexer ausgedrückt: Resilienz ist die Fähigkeit eines sozialen oder ökologischen Systems, Störungen zu absorbieren und dabei dieselbe Grundstruktur und Funktionsweise beizubehalten, und auch die Fähigkeit, sich an Stress und Veränderungen anzupassen. Die Klimarisiken haben sich verschärft. Der fortgesetzte Ausstoß von Wärme speichernden Gasen hat den Klimawandel in eine Klimakatastrophe verwandelt. Dazu einige Kernaussagen:

  • In der nördlichen Hemisphäre hat sich die Zahl der großen Hitzewellen seit den 1980er-Jahren versechsfacht, und seit den 1990er Jahren sind dies ernste Bedrohungen für die öffentliche Gsundheit, einschließlich der psychischen Gesundheit.
  • In etwa zehn Jahren wird sich die Erwärmung der Erdoberfläche voraussichtlich um etwa 50 % auf über 1,5 °C verstärken, gefolgt von einer weiteren Erwärmung.
  • Eine ausgewachsene Klimakrise ist bis Anfang der 2030er-Jahre wahrscheinlich.
  • Da solche Veränderungen über Jahrhunderte hinweg unumkehrbar sind, werden auch zukünftige Generationen darunter leiden.
  • Die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln ist im Weltmaßstab ernsthaft bedroht, was zum erheblichen Teil auf die Klimastörungen zurückzuführen ist.
  • Die Verschärfung von Klimaextremen zusammen mit dem Überschreiten natürlicher und sozialer Kipppunkte wird Reiche und Arme treffen.
  • Arme und gefährdete Bevölkerungsgruppen (weltweit etwa 4 Milliarden Menschen) sind trotz ihrer geringen Emissionen (nur 15 %) die Hauptleidtragenden der Zerstörung.
  • Massenmigrationen könnten zu politischen Instabilitäten führen.

Jetzt Widerstandsfähigkeit gegen die Klimakrise stärken

Wir müssen die Wechselwirkungen zwischen Menschen und Natur in den miteinander verbundenen Krisen beachten und angehen: Klima, Biodiversität und Ungleichheit. Es ist zu spät, sich nur auf die Abschwächung des Klimawandels zu verlassen. Wir haben die Zeit dazu verpasst.

Es bedarf jetzt globaler Anstrengungen zum Aufbau von Klimaresilienz.

Die folgenden Empfehlungen müssen auf die Tagesordnung der Klimagipfel wie der nächsten internationalen Klimakonferenz in Sharm el Sheikh (https://cop27.eg/#/> COP27) gesetzt werden. Der Aufbau von Resilienz muss dabei auf drei Säulen ruhen:

Abschwächung, Anpassung und Transformation.

ABSCHWÄCHUNG heißt: Klimarisiken vermindern

Die Klimakurve biegen - so lautet hier das erste Ziel.

Die Erwärmungskurve muss auf unter 2 °C vor 2050 und auf 1,5 °C vor 2100 gebogen werden. Das erfordert eine tiefgreifende Senkung der Emissionen von CO2 und anderer Klimagase sowie eine Entnahme von mindestens einem Drittel der 1,2 Billionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre. Die wohlhabende Milliarde der Menschheit muss ihre Emissionen drastisch reduzieren und die gefährdeten 4 Milliarden Menschen finanziell und technisch dabei unterstützen, ihre Emissionen zu reduzieren. Gefordert sind hier naturbasierte Lösungen, die Meere, Mangroven, Agroforstwirtschaft, landwirtschaftliche Nutzflächen und Wälder einbeziehen.

ANPASSUNG heißt: Anfälligkeit gegenüber Klimarisiken verringern

Der Anpassung sind Grenzen gesetzt. Bei häufigen Hitzewellen nahe 50 °C, wie sie in diesem Jahr in Südasien zu beobachten waren, gibt es kaum noch Chancen für Anpassung. Den armen und gefährdeten 4 Milliarden Menschen muss geholfen werden, sich jetzt an die Klimarisiken anzupassen. Dazu gehört etwa ein erschwinglicher Zugang zu sauberer Energie und sauberem Wasser.Gesundheitsfürsorge, nachhaltige Landwirtschaft und widerstandsfähige Infrastrukturen gehören ebenfalls dazu. Außerdem ist es notwendig, neue rechtliche Instrumente zur Steuerung der Migration von Klimaflüchtlingen zu konzipieren, beispielsweise einen "Klima-Flüchtlingspass", der Migration ermöglicht.

Eine resiliente Ernährungs- und Wassersicherheit erfordern

  • eine nachhaltige Land- und Bodenbewirtschaftung,
  • Waldschutz und Agroforstwirtschaft,
  • moderne Pflanzenzüchtung auch mit Einsatz gentechnischer Methoden,
  • effiziente Wassernutzung in der Landwirtschaft (denn die verbraucht 80 % des Süßwassers) und Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen.
  • und es bedarf einer konzertierten Aktion, um die Lebensmittelverschwendung und übermäßigen Fleischkonsum zu reduzieren.

Besondere Aufmerksamkeit muss den regionalen Hotspots für Klimastress gewidmet werden: Amazonas, kleine Inselstaaten, Trockengebiete in Afrika, südliches Afrika, Mittelmeerraum, Naher Osten, Südasien, Nordosten Chinas und Südwesten der USA.

TRANSFORMATION heißt: Den Lebensstil ändern

Dieser Wandel muss Maßnahmen zur Bewältigung der drei Krisen - Klima, biologische Vielfalt und Ungleichheit - umfassen. Dazu zählen nicht nur der rasche Übergang zu erneuerbaren Energiesystemen oder Regelungen, um die Nachfrage nach emissionsintensiven Gütern zu verringern. Sondern dazu zählen vor allem auch politische Maßnahmen, um den Wert der Natur in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und in die Unternehmensrechnung einzubeziehen. Um diesen Wandel zu erreichen, sind Verhaltensänderungen der Menschen und der Unternehmen notwendig. Dazu wiederum ist eine große globale Bildungsinitiative erforderlich, um alle Menschen, von Kindern bis zu Senioren, in nachhaltiger Lebensweise zu unterrichten.

Allianz zwischen Wissenschaft und Religionen

All die oben genannten Empfehlungen erfordern erhebliches Engagement der Wissenschaften. Sie müssen dabei helfen, die Prioritäten für evidenzbasierte Maßnahmen festzulegen, und dabei Gerechtigkeitsfragen beachten. Die Öffentlichkeit, die Zivilgesellschaft und die Glaubensgemeinschaften aller Weltreligionen können sich produktiv an dieser moralischen Aufgabe beteiligen. Glaube und Wissenschaft können Allianzen bilden, um die notwendige öffentliche Unterstützung für Klimamaßnahmen zu mobilisieren. Solche Allianzen mögen für manche Beobachter ungewöhnlich sein. Aber sie sind möglich, weil der Schutz der gesamten Schöpfung das erklärte Ziel aller Religionen ist.

Es liegt in unserer Hand

Es liegt in unserer Hand, bessere Verwalter des Planeten Erde, aber auch unserer direkten Umgebung zu werden. Es liegt in unserer Hand, dafür zu sorgen, dass sich Menschen und Ökosysteme von den Umweltkrisen erholen und eine sicherere, gesündere und nachhaltigere Welt entsteht.

Viele Grüße von

Prof. Dr. Joachim von Braun

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